Klimaanpassungen von Kartoffeln –  AG Sophia Sonnewald

Meine Forschungsgruppe interessiert sich hauptsächlich für die Regulation der „source-sink“- Wechselwirkungen während der Pflanzenentwicklung und durch widrige Umweltbedingungen wie z.B. Hitze und Trockenheit. Als Modellsystem verwenden wir hauptsächlich Kartoffelpflanzen. Die Kartoffel gehört zu den wichtigsten Kulturpflanzen der Welt. Ihre Knollen sind ein hervorragendes Grundnahrungsmittel, da sie reich an Stärke sind, wertvolle Mineralien, Vitamine und essentielle Aminosäuren enthalten. Kartoffelpflanzen sind jedoch empfindlich gegenüber Hitze und Trockenheit, und es wird erwartet, dass globale Klimaveränderungen die Ertragsstabilität und die Qualität der Knollen stark beeinträchtigen.

Unsere aktuelle Forschung konzentriert sich auf zwei Hauptthemen:

  • Die Reaktionen von Kartoffelpflanzen auf Hitze und Dürre besser zu verstehen, um sie für die Herausforderungen des Klimawandels zu verbessern
  • Die molekulare Analyse der Kartoffelknollenentwicklung

 

Verbesserte Kartoffelpflanzen für zukünftige Herausforderungen des Klimawandels

Erhöhte Temperaturen beeinflussen viele physiologische Prozesse und Entwicklungsprozesse in Kartoffelpflanzen. Dazu gehören u.a. die verminderte Produktion von Assimilaten durch die Photosynthese und die negativen Auswirkungen auf die Knollenentwicklung, die Stärkeakkumulation und die Qualität von Kartoffelknollen.

Ein wichtiger Regulator dieser Prozesse ist das „Flowering Locus T“-Homolog SP6A, welches ein Schlüsselgen für die Knollenbildung ist. Die Genexpression von SP6A wird durch Hitze verringert, was mit verringerter Knollenbildung und -wachstum einhergeht. In unseren Arbeiten haben wir eine kleine RNA (genannt SES) entdeckt, die durch erhöhte Temperaturen stark induziert wird, an das SP6A Transkript bindet und dieses post-transkriptionell abbaut (Lehretz et al. 2019; siehe Abbildung 1).

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Abbildung 1: Schematische Darstellung der Auswirkungen erhöhter Temperaturen auf den Stoffwechsel und die Entwicklung von Kartoffelpflanzen. Die photosynthetische Kohlenstoffproduktion und -allokation wird gehemmt. Die Transkriptakkumulation des Schlüsselgens für die Knollenbildung SP6A wird durch eine hitzeinduzierte kleine RNA (namens SES) verringert. Zusammen mit der Induktion von Thermomorphogenese und anderen Effekten führt bei Hitze zu einer Hemmung der Knollenentwicklung und/oder einer verringerten Stärkeakkumulation.

  • Gegenwärtig arbeiten wir daran (DFG HotNet) das regulatorische Netzwerk, welches unter Hitzestress in Kartoffelpflanzen wirkt, weiter zu entschlüsseln, indem wir physiologische und biochemische mit molekularen und genetischen Ansätzen kombinieren. Wir nutzen die genetische Variabilität (Abbildung 2), um Zielgene aufzuklären, da wir denken, dass innerhalb der verfügbaren genetischen Ressourcen ein großes Potenzial zur Erhöhung der Ertragsstabilität besteht. Die Kartoffel ist eine komplexe, hochgradig heterozygote, tetraploide Nutzpflanze, die einfache genetische Ansätze erschwert. Zusammen mit der Bioinformatik-Gruppe von Dr. Stephan Reinert führen wir eine detaillierte Phänotypisierung verschiedener tetraploider Sorten durch und möchten mit einem mittels eines GWAS-Ansatzes und durch Transkript-Profiling-Experimente neue, interessante Kandidatengene identifizieren.

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Abbildung 2: Reaktionen auf Hitzestress unterscheiden sich je nach Kartoffel-Genotyp. Erhöhte Temperaturen induzieren eine stärkere Thermomorphogenese (A), eine dramatischere Abnahme des Knollenstärkegehalts (B) und ein häufigeres Auftreten von 2. Knollenwachstum (C) bei anfälligen Sorten als bei toleranten.

  • Im Rahmen des von der EU finanzierten Horizon 2020-Projekts Adapt wollen wir ein besseres Verständnis der Reaktionen von Kartoffelpflanzen auf kombinierten Stress, insbesondere auf Hitze, Trockenheit und Staunässe, gewinnen. Adapt ist ein Forschungskonsortium von 17 Partnern aus führenden akademischen Forschungseinrichtungen, Kartoffelzüchtern, einem gemeinnützigen EU-Verband, einer Regierungsbehörde und einem Entwickler von bildgebenden Hochdurchsatz-Technologien. Ziel ist es, neue Züchtungsansätze und Kartoffelsorten zu identifizieren, die eine Anpassung an sich verändernde Umweltwachstumsbedingungen in der Zukunft ermöglichen. Unter anderem werden wir die Rolle von SP6A und der kleinen regulatorischen RNA SES weiter analysieren. Weitere Informationen und Updates finden Sie auf der offiziellen Webseite des Projekts (adapt.univie.ac.at) und auf dem Twitter-Account (@eu_Adapt).
  • Veränderte Umweltbedingungen führen auch zu einem reduzierten Knollenstärkegehalt und können Zwiewuchs bei Knollen verursachen (Abb. 2b, c). Beide Merkmale führen zu einem Qualitätsverlust der Knollen und erschweren deren Verwendung. Daher versucht meine Gruppe, die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen aufzuklären.

 

Molekulare Analyse der Kartoffelknollenentwicklung

  • Die Entwicklung von Kartoffelknollen hängt stark von Stoffwechsel- und Entwicklungssignalen der Blätter ab. Der photoperiodische Weg mit Constans und SP6A als Schlüsselregulatoren spielt eine wichtige Rolle dabei und steuert die Knollenbildung und deren Wachstum. Jüngste Arbeiten deckten auf, dass SP6A mit Saccharose-Efflux-Transportern wie Sweet11b interagiert und dadurch die Assimilat-Translokation zu sich entwickelnden Knollen fördern kann. Auch wenn unser Wissen in letzter Zeit zugenommen hat, gibt es noch viele offene Fragen zur Wirkungsweise und den endogenen und umweltbedingten Regulatoren. Wir führen derzeit molekulare und biochemische Analysen durch, um (i) die Rolle des Blaulichtrezeptors FKF1 bei der Regulierung der Knollenentwicklung zu entschlüsseln und (ii) um ein besseres Verständnis dafür zu erhalten, wie SP6A die Assimilationsverteilung und die „Source-Sink“- Beziehungen verändert.